Queer ein heutzutage aktueller Begriff. Einige Menschen auf der Welt bezeichnen sich als genderqueer. Sie ordnen sich keiner geschlechtlichen Rolle zu. Sie sind das „dritte Geschlecht“ der nicht-binären Geschlechtsidentität. Das Geschlecht wird bei ihnen nicht nur in männlich und weiblich, Sexualität nicht nur in hetero und homo eingeteilt, sondern sie sehen eine riesige Fülle an Geschlechtern und sexuellen Identitäten (LGBTQ). LGBTQ-Personen haben es nicht leicht und kämpfen noch bis heute für ihre Anerkennung und Rechte. Die LGBTQ Rechtsgrundlage ist von Land zu Land sehr unterschiedlich. In Deutschland, beispielsweise, hat die Bundesregierung, seit Sommer 2017, den Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus beschlossen und lehnt Feindlichkeiten gegen „Queer“-Menschen ab. Seit 2001 gibt es in Deutschland die eingetragene Ehe für gleichgeschlechtliche Paare. Ein Fortschritt, der Deutschland stolz machen kann. Südafrika hat die gleichgeschlechtliche Ehe sogar schon 1994 erlaubt. Leider schaut es mit den Rechten für LGBTQ-Personen nicht überall in Afrika so sonnig aus.
In dem hier besprochenen Buch, „She Called Me Woman: Nigeria’s Queer Women Speak“, herausgebracht von drei nigerianischen Autoren namens Azeenarh Mohammed, Chitra Nagarajan, und Rafeeat Aliyu, die sich für die Rechte von Frauen einsetzen und mit dem Buch ein Statement setzen wollen. Die drei Herausgeberinnen setzen sich für die Legalisierung der Rechte von Queer People ein und geben uns mit dem Buch einen Einblick in das alltägliche Leben afrikanischer Queer-Frauen. Die Erzählungen sind zusammengefasste Interviews von 25 betroffenen Frauen, im Alter von 20 bis 42 Jahren, aus Nigeria. Sie berichten über ihre Erfahrungen und erzählen uns über die Probleme, mit denen sie als queere Personen konfrontiert sind. Die Namen der Interviewten (oder: der Erzählerinnen) wurden aus Sicherheitsgründen geändert.
Als deutsche Leserin wird man schnell feststellen, dass die politische Lage in Afrika gegenüber LGBTQ-Menschen gewiss kritisch und problematisch ist. Eine Akzeptanz ist zwar vorhanden, dennoch werden sie immer noch aus der Gesellschaft ausgegrenzt. Homophobie und Heterosexismus ist in den afrikanischen Staaten noch weit verbreitet. Die Legalität von „Queer“ Menschen ist gering ausgeprägt im Kontinent. In den meisten Staaten Afrikas, gelten homosexuelle Handlungen als Straftat, als illegal. Äußert man sich über sein „drittes“ Geschlecht kommt es zu starken Konsequenzen. Angefangen mit Bußgeldern bis hin zur Todesstrafe (Bsp.: Liberia, Nigeria). Nicht nur der Staat ist dagegen, auch die eigene Familie zeigt kein Verständnis. „The biggest problem my sexuality has caused me is with my family. Family.Family.Family. My brother is very homophobic.“ In ‚What I Have Been Missing‘ erfahren wir über IX unbeschwerte Kindheit in Kaduna, Nigeria, dank ihrer Eltern. Sie sieht die öffentliche Abneigung gegen ihre Sexualität und versteht, dass die Beziehung zwischen ihrer Familie und ihr, nie mehr so sein wird wie sie es mal war.
Nigeria ist ein sehr religiöses Land. 50% der Bevölkerung sind Muslime und 45% Christen. Die strenge Religion im Land bereitet den „Queer“ Menschen das größte Problem. Sie werden von der Gesellschaft nicht akzeptiert. In ‚I Pray That Everyone Has Forgotten“ redet TQ über ihre Sorge, von ihrer sehr streng christlich gläubigen, Familie ausgestoßen zu werden. Die Familie ist, für alle erzählenden Frauen in diesem Buch, das Wichtigste und sie wollen diese nicht verlieren. QM beschreibt „I Only Admire Girls“, wie sie wegen ihrer sexuellen Orientierung ihre Familie verloren hat. Sie ist eine Schande für die Familie geworden. Der Hass auf „Queer“ Leute ist groß im muslimischen Zamfara. Ein anderes Leben zu leben ist tabu. Die Frauen haben dort nichts zu sagen. Sie müssen heiraten und eine Familie gründen. „If you go to school, they will say your parents are not good people. You have to get married, because that is where your life ends.“ Erschreckende Aussagen, die das Leben dieser Frauen nicht einfacher machen.
Viele der „nicht-binären“ Frauen sind religiös, bezeichnen sich aber als spirituell. Sie glauben nicht daran, dass Liebe zu einem gleichgeschlechtlichen Menschen eine Sünde ist. O.F. in ‚Love Is Not Wrong‘, plädiert für eine grenzenlose Liebe die nicht von der Religion abhängig ist: „I believe in God but not religion.“. Die religiöse Bevölkerung demonstriert jedoch homophobes Verhalten gegenüber der „genderqueer“ Gesellschaft. Sie reden schlecht hinter dem Rücken und verbreiten Gerüchte. Es werden so schlimme Dinge gesagt, dass wenn man zuhören würde, die Kraft nicht mehr reichen würde alles zu ertragen: „They see it as something demonic, something devilish.
I don´t have any business with whatever they say. If I listened to them, i wouldnt´t be alive.“.
Eine Aussage von der selbstbewussten L.N. in ‚I Am Proud To Be A Lesbian‘, einer der jüngsten „Queer“ Frauen, mit 22 Jahren, in diesem Buch.
Es ist interessant zu sehen wie die Frauen ihre sexuellen Interessen entdeckt haben und damit umgegangen sind. Manche waren sich schon früh sicher und manche haben es erst nach langjährigen Versuchen, der Norm zu entsprechen herausgefunden. Religion und Familie stellt für jede ein großes Problem dar. Man sieht, dass die ein oder andere furchtloser mit der Situation umgeht und versucht das Beste aus ihrem Leben zu machen (s. LN, I Am Proud To Be A Lesbian).
Anderen wiederum ist die Akzeptanz von Leuten sehr wichtig. Ohne diese, kann sie, kein normales Leben führen. QM, aus Zamfara versteckt sich bis heute. Es ist offensichtlich, dass viel auf dem Spiel steht, wenn man sich über seine „nicht-binäre“ Geschlechtsidentität äußert. Man könnte die Familie, die Freunde und die Arbeit verlieren. Sogar das Ansehen und den Respekt der Bevölkerung. All diese echten Erzählungen zeigen den Mut jeder einzelnen „Queer“ Frau. Ich bin beeindruckt, wie sie trotz der ganzen Erschwernisse und dem Hass von außen, sich selbst treu bleiben. Keine der Frauen hat sich ergeben und sich an die Gesellschaft angepasst. Sie leben ihr Leben weiter, in der Hoffnung, dass sich etwas ändert. Natürlich ist es traurig zu lesen, dass sich eine Frau verstecken muss um nicht gesteinigt zu werden für ihre ‚Sünde‘ (‚I Only Admire Girls‘). Denn, auch L.N., die einfach ihr Leben als „Queer“ weiterlebt, muss über ihre sexuelle Orientierung in der Öffentlichkeit schweigen und darf diese nicht „hundertprozentig“ ausleben.
Dieses Buch ist einfach geschrieben und leicht zu lesen. Es gibt uns, trotz dunkler Einblicke in die Realität dieser jungen Frauen, auch unterhaltsame Wendungen mit. Alle Frauen kommen sympathisch rüber und als Lesender habe ich den Eindruck ein ‚Tagebuch‘ lesen zu dürfen, da die Texte formlos und voller Gefühl geschrieben sind. Mir persönlich gefällt dieser leichte Schreibstil, wobei ich sagen muss, dass mir bei der einen oder anderen Geschichte der rote Faden gefehlt hat und die Erzählung ziemlich durcheinander schien. Alles in allem möchte ich dieses Buch weiterempfehlen. Es trägt viel Herz und Mut in sich und ist ideal geeignet um einen ersten Einblick in das LGBTQ Leben nigerianischer nicht-binär Frauen zu erlangen. Den europäischen Lesern lege ich das Buch auch ans Herz. Besonders für die Lesenden unter uns die sich mit den LGBTQ Thema auseinandersetzen, ist dieses Werk ein Muss. Auf der ganzen Welt gibt es „Queer“ Menschen. Aber nicht überall wird das akzeptiert. Ein gefühlvolles und echtes Buch.