Ein Gesicht des Elends und der Korruption

Es gibt Begriffe, die vermutlich fast überall in der Welt und fast in jedem Jahrhundert, auch vor Christi Geburt, auf gleiche Weise verstanden und wahrgenommen wurden. Dabei geht es in diesem Falle nicht um die gehobenen Begriffe, wie Liebe oder Stolz, sondern um menschlich viel näher liegende Phänomene, hoffnungsloses Elend, korrupte Beamte, gierige Staatsoberhäupter und sehr ehrgeizige, aber trostlos unfähige Männer. Und das sind die Hauptakteure der Kurzgeschichten von Petina Gappah, die in einem Buch mit dem Titel „An Elegy for Easterly“ zusammengefasst wurden. Die deutsche Version „Im Herzen des Goldenen Dreiecks“ wurde im Sommer 2020 veröffentlicht.

Da die Autorin ihre Jugend in Simbabwe verbracht hat und auch Rechtswissenschaft an der University of Zimbabwe studiert hat, ist es keine große Überraschung, dass sie ihre Kurzgeschichten in Simbabwe spielen lässt. Das Themenfeld erstreckt sich ebenfalls in der zu erwartenden Form eines politischen Romans.

Der tatsächliche Wert des Buches entsteht viel mehr im Schmerz, welcher den Charakteren der Geschichten angetan wird. Oft wird dieses Leiden der Leserschaft sarkastisch und mit viel Zynismus schmackhaft gemacht. Das ist zum Teil ein direktes schonungsloses Auslachen. Ein Auslachen der schwachen und unter diesen Schwächen leidenden Charaktere. Der andere Teil der Geschichten geht mit den schweren Schicksalen der Menschen sehr einfühlsam um, so dass die letzten Zeilen Gänsehaut erzeugen und dem Leser eine Pause abverlangen, damit die beschriebene düstere Welt ihn wieder verlässt. In dieser Abwechslung zwischen Sarkasmus und Mitgefühl entsteht eine zyklische emotionale Dynamik, ein Perpetuum mobile, das bis zum Schluss des Buches die Spannung hält.

Ein wichtiges Merkmal des Buches ist eine gewisse Männerfeindlichkeit, klarer Sexismus. Männer werden mehr in negativen Rollen dargestellt: entweder als heuchlerische, gefühllose Aggressoren oder unfähige, infantile, dumme Möchtegern-Geschäftsmänner. Dagegen besetzen Frauen viel mehr die Rollen der Leidtragenden oder der Weisen bzw. Besserwisserischen im positiven Sinne. Das wäre ein starker Kritikpunkt, wenn das nicht eine Form des ausgleichenden Sexismus wäre, die das überschätzte Selbstbewusstsein vieler Männer auf ein realistisches Niveau herunterstürzen soll.

Die politische Botschaft, die Kritik an der Korruption im Staatswesen von Simbabwe und die schwierige Situation der Bevölkerung, hält sich in Grenzen, wie bei den meisten Büchern diese Genres: scharfe Kritik der Staatsmacht, Verlangen nach Demokratisierung, Gleichberechtigung, Stärkung der Zivilgesellschaft und eine Teilschuldzuweisung an die Bevölkerung des Landes, an ihre Passivität.

Das Buch ist unterhaltsam in der Sprache, in den Formulierungen, in den erzählten Situationen. Die Leserschaft wird schnell begreifen, worum es in den Geschichten geht, kann den Humor gut nachvollziehen und, dass es sich um bekannte Phänomene handelt, die kaum simbabwe-spezifisch sind. Neue politische Ideen sollte man/frau aber von dem Buch nicht erwarten.

Eine Antwort auf „Ein Gesicht des Elends und der Korruption“

  1. Hallo, inwiefern können Kurzgeschichten zugleich ein politischer Roman sein? Die eine Form schließt die andere eigentlich aus, es sei denn, die Kurzgeschichten lesen sich als einzelne Episoden einer am Ende zusammenhängenden Geschichte – dazu erfährt man aber in der Rezension nichts.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert