Eh ich begriff, dass dieser Roman, eines der früheren Bücher von Agualusa und das zweite, was ins Deutsche übersetzt wurde, aus der Perspektive eines Tiers geschrieben ist, blätterte ich ein paar Mal; dabei verrät doch der deutsche Titel „Das Lachen des Geckos“, worauf sich die Leserschaft hier möglicher Weise einlässt. José Eduardo Agualusa entführt seine Leser*innen immer wieder in fantastische Welten. In seinem 2004 entworfenen „Theater“, mit dem Titel „O Vendedor de Passados“ über einen adoptierten Mann mittleren Alters mit Albinismus, der mit Identitäten handelt, sitzt der benannte Erzähler an der Decke und beobachtet, was Felix Ventura so treibt und wer bei ihm ein- und ausgeht.
Eines Tages kommt ein Interessent unangemeldet mit einer scheinbar hohen Geldsumme und fordert Ventura heraus. Ventura wägt ab und entscheidet sich den Auftrag anzunehmen: Die „Geburtsstunde“ José Buchmanns. „„Das hier“, verkündet der Albino, „ist Cornélio Buchmann, Ihr Großvater.“ Auf einer anderen Fotografie umarmte sich an einem Flussufer und vor einem weiten, grenzenlosen Horizont ein Paar. […] „Meine Eltern?“ Der Albino nickte.“ Obwohl Ventura Herrn Buchmann einschärft: „Ich muss es wohl nicht extra erwähnen, […] setzen Sie niemals einen Fuß nach Chibia“, setzt sich der Kunde über die ungeschriebenen Gesetze Venturas hinweg und das Schicksal nimmt seinen Lauf. Denn Chibia ist ein Ort, den es wirklich gibt, wo Buchmanns imaginierter Vater begraben liegt. Durch Buchmanns Neugier und die daraus resultierenden Nachforschungen gerät die Vergangenheit Buchmanns, die er durch die neue Identität hinter sich lassen wollte, ans Licht, wenn auch erst recht weit hinten im Roman.
In den bisher von mir gelesenen Romanen Agualusas spielt die Geschichte Angolas, die Politik der letzten Jahrzehnte, immer eine große Rolle. Die Charaktere sind oft verwickelt in die in sich verkeilten Fronten der Parteien in Form von Folterer, Geknechtetem, Ex-Agenten… Ob mit Vorwissen oder ohne, es bereitet mir Freude in diese Welt(en) abzutauchen, zumal Agualusa immer mehrere Perspektiven aufzeigt. Er verflicht auch in diesem Werk die Lebenswege der Persönlichkeiten auf umwerfende Art und Weise. Und es kommt zum Showdown, zum Mord, doch wer durch wessen Hand stirbt, dürfen Sie selbst nachlesen. Bis dahin dürfen Sie eintauchen in die Existenz eines Geckos, eines Antiquars, einer Gefolterten, eines Ministers und weiteren… Vielleicht teilen Sie ja mit dem Gecko, Felix Ventura, seinem Oberstufenlehrer Gaspar und mir die „Leidenschaft für alte Wörter“? Oder versinken in Träumen Eulálios und Felix‘? Vermischen sich Ihre Träume(reien) und Erlebnisse mit denen aus dem Buch? Das kann bei dieser Erzählweise schon mal passieren.
José Eduardo Agualusa weist ein beachtliches Repertoire an Werken vor, das mehrere Romane und Erzählungen, eine Novelle und sogar ein Kinderbuch umfasst. Leider ist nur ein eher kleiner Teil seines Œuvres ins Deutsch übersetzt worden, obwohl Agualusa inzwischen zu den Großen der zeitgenössischen lusophonen Literatur zählt. Die literarische Qualität lässt keine Wünsche offen, wenn Sie sich auf den etwas abgedrehten Stil Agualusas einlassen können und sich gern überraschen lassen. Wirklich großartige Literatur, wärmstens zu empfehlen.