Ein kleiner Junge. Irgendwo in Kinshasa. Barfuß. In einem weißen Hemd und blauen Denimshorts. Hält einen Mikro. Er schaut dich an. Sein Blick ist selbstbewusst. Ein wenig traurig. Mit einem Vorwurf in den Augen:
„[…] we lose our humanity. every time we stare at television. every time we eat in McDonalds. sat by the window seat of a Starbucks with a cappucino reading the latest pop book. every time we download an app on our iPhone. iPad. I am alone.“
– This Is Not Just (S. 51)
Etwa so trifft uns JJ Bola mit seiner Gedichtsammlung Refuge und heißt uns willkommen in seiner Welt. In einer Welt voller Liebe, Schmerz, Empörung und Imperativ. Der Sammelband besteht aus ausgewählten Gedichten, die bereits früher publiziert wurden, sowie neuen Material.
Der Sammelband ist sehr konsequent aufgebaut, was die Entwicklung des Autors betrifft. Ob dieser Aufbau bewusst gewählt wurde oder eine Chronologie als Basis diente, ist unbekannt. Tatsache ist, dass der Entwicklungsweg von JJ Bola als Dichter nicht nur lang, sondern auch steinig und schwer war.
In der ersten Hälfte des Bandes wird so wild mit Klischees gestempelt, dass man sich fast in der Quizsendung „Erkennen Sie die Melodie?“ wiederfindet, wo die Hauptunterhaltung daraus besteht sich an das Lied oder an zahlreiche Lieder zu erinnern, wo der vorgespielte Ausdruck bereits vorkam. Die erste Zeile des ersten Gedichtes „she wears a cage around her heart“ lässt nichts Gutes ahnen und bestätigt es auch der Schluss „but you‘re the one who holds the key“.
Die nächste Entwicklungsstufe innerhalb des Bandes ist der Hip-Hop. Die Ausbreitung des Einflusses findet in „I Found Hip Hop“ seinе Apotheose. Der Dichter ist noch auf der Suche nach der Tiefe für seine Texte und bedient sich erstmal mit den oberflächlichen Referenzen zur Antike, zu großen Königreichen in Afrika und Michael Jackson.
„[…] hip is the knowledge. Like the construction of the pyramids.“
– I Found Hip Hop (S. 45)
Parallel dazu kommt bei JJ Bola der Prediger-Imperativ immer wieder zum Ausdruck. Er spricht von einem schrecklichen Wir in Politics 101 und endet darin mit einem ausgelutschten Mantra der Verschwörungstheoretiker „[.. ] dont‘t trust what you read in the news or what you see on TV“
Das Gute an dem Sammelband ist der positive Entwicklungsweg, der da ist. Irgendwann zum Ende des Bandes fängt man an neue Versionen der früheren Inhalte wiederzuerkennen bzw. man erkennt diese auf den ersten Blick gar nicht wieder, weil sie jetzt sprachlich viel besser geworden sind. Ein gutes Beispiel dafür ist real man (S. 29)vs. man, listen (S.67):Hip-Hop-Möchtegern vs. Dichter. So kommt die Freude beim Lesen der letzten Gedichte um so mehr „like the sunshine after the rain“ oder so ähnlich.
Wer sollte sich diesen kompakten Sammelband von weniger als ein hundert kleinen Seiten zu Herzen nehmen? Die ersten fünfzig Seiten sind für Teenager und junge Erwachsene mit einem Instagram-Account zu empfehlen. So findet man viele schöne Zitate zum Reposten. Die zweite Hälfte des Sammelbandes ist uneingeschränkt empfehlenswert, man findet in den Texten eine starke Schulter in schweren Zeiten sowie eine gute Motivation zu fliegen anstatt zu rennen und zu leben anstatt zu sterben. Eine andere Zielgruppe für den gesamten Sammelband sind die (Hip-Hop)Dichter, die sich ein Beispiel an dem Entwicklungsweg von JJ Bola nehmen könnten und einen Respekt an ihn twittern.