Eindringlich schildert Alpha Ndiaye wie er mit seinem Kameraden und „Seelenbruder“ – so der französische Buchtitel frei ins Deutsche übersetzt – die Schlachten in den Gräben des Ersten Weltkriegs erlebt. Die Grausamkeiten, Perfiditäten, Abscheulichkeiten, der Widersinn des Krieges – als solcher – werden in dem kurzen Roman Nachts ist unser Blut schwarz (so der deutsche Titel) des franko-senegalesischen Autors David Diop offenbar.
Mit wirkmächtiger Sprache im Erzählton lässt Diop uns teilhaben am Schicksal der beiden „Senegalschützen“, die für Frankreich, das „Mutterland“ in den Krieg ziehen. Etwa Hundertachzigtausend der sogenannten Senegalschützen (Tirailleurs sénégalais) dienten der Kolonialmacht Frankreich im Ersten Weltkrieg; etwa jeder Sechste von ihnen ließ sein Leben. Alpha Ndiaye verliert seinen Kameraden und man könnte meinen es ist Rache, die ihn antreibt Vergeltung zu üben. Trotz der Gräuel die Alpha Ndiaye verübt, die er detailliert beschreibt, haarklein, bin ich mit ihm, ich meine ihn verstehen zu können, ich fühle mit. Hauptmann Armand pfeift zum Angriff und seit Mademba Diop, Alphas Freund und Seelenbruder, umgekommen ist, kehrt Alpha Ndiaye nicht ohne Trophäen zum Lager zurück. Was erst als Heldentum, Wagemut und Kühnheit gefeiert wird, gerät dem Erzähler bald zum Verhängnis, wird ihm als unmenschlich, toll und übertrieben ausgelegt.
Auflockernd, doch nichts an Eindrücklichkeit verlierend, sind die Passagen in denen Ndiayes Gedanken abschweifen in die Zeit vor seiner Rekrutierung, bevor er in den Krieg gezogen ist. Die*der Leser*in erfährt mehr über Ndiayes Herkunft, seine Eltern und wie die Freundschaft zwischen den beiden Kameraden entstand. Assoziativ reiht Diop die Gedanken seines Helden aneinander. Geschickt verwebt er die Erlebnisse aus der Kindheit und beim Fronturlaub. Die Liebe zu Fary Thiam, der Tochter des Dorfältesten in Gandiol, stand von Anfang an unter keinem guten Stern und doch findet sie Erfüllung, wenn auch nur.
David Diop gelingt es auf 175 Seiten ein Portrait zu zeichnen, das nachwirkt. Seine Sprache ist eingängig und verschafft Klarheit über die Unmoral von Krieg und Verbrechen im Zusammenspiel mit Macht. Großartig finde ich die Szene, in der Ndiayes Vater dem Dorfältesten vorführt, dass es Werte gibt, dass Geld nicht alles ist und uns nicht durch Krisen führt. In einer Hungersnot wird man sich nicht nur von Erdnüssen ernähren können. Weitergesponnen, kann dies als Parabel für Lebensmittel-Souveränität gelten und gewinnt nicht nur dadurch einen Bezug zur Gegenwart.
Das Buch hat nichts Belehrendes und lehrt uns doch: Krieg ist nicht zu rechtfertigen und hinterlässt Spuren, die unauslöschlich sind.
Den Verriss von Wolfgang Schneider vom 2.2.2020 in der FAZ kann ich nicht nachvollziehen (oder: Der Verriss … ist nicht nachvollziehbar). Sich im Krieg menschlich verhalten, ist ein Ding der Unmöglichkeit und natürlich hat ein solches Buch immer eine konstruierte Komponente. Dennoch, gerade durch die Perspektive des Erzählers teilte ich den Eindruck zu keiner Zeit, dass das Geschehene an den Haaren herbeigezogen sei. Auch habe ich die angebliche Überzeichnung Ndiayes als „Schokosoldat“ an keiner Stelle so empfunden. Im Gegenteil: durch sein Reflektieren und den gesamten Kontext erscheint Diop als Mensch und seinem Verhalten haftet nichts Übertriebenes an. Unmenschlich und paradox muten die Reaktionen des Hauptmanns und des Arztes in der Genesungseinrichtung an.
Ganz erschließt sich mir die letzte Szene nicht. Dort scheint es als wenn sich der Geist Madembas zeigt und damit ein Perspektivwechsel vollzogen wird. Zurecht hat David Diop in Frankreich für seinen Roman mehrere Preise gewonnen.