Famos, fantastisch, fulminant – so lässt uns Agualusa eintauchen ins Gestern und Heute Angolas. Packend erzählt der Autor vom Journalisten Benchimol, der zufällig die Kamera einer jungen Künstlerin findet, welche ihm helfen wird seine Träume zu entschlüsseln. Doch das ist nur einer der Erzählstränge, die in diesem Roman gekonnt miteinander verwoben werden. Nach und nach drängen die Details über Benchimols Scheidung und seine Tochter aus jener Beziehung ans Licht und wie sein Schwiegervater seine Karriere beeinflusst und welche Ränke geschmiedet werden, mit Macht.
Vielgestaltig sind die Charaktere, die Agualusa zusammenträgt und auf den Plan treten lässt, alle eingebettet in die politischen Begebenheiten Angolas. Den fabulösen Name Karinguiri trägt Benchimols Tochter, die eine entscheidende Rolle spielt. Moira nennt sich die (junge) Künstlerin, mit der schwimmenden Kamera und nicht zu vergessen: Hossi, der ehemalige Guerillakämpfer, der in den Träumen Fremder auftaucht, womit er den Geheimdienst auf seine Spur bringt.
Was kann aus diesem Kuddelmuddel, diesem Puzzle entstehen? Auf verschiedenen Erdteilen gar hausen die Hauptpersonen zeitweilig und doch finden sie zueinander, etwas verbindet sie alle. Sie haben einen Traum, den Traum von Gerechtigkeit, von friedlichem Zusammenleben. Bis zum Ende ist unklar, ob Hossi bewusst ist, was er in den Träumen anderer treibt. Unheimlich, aber die Hirnforschung einbeziehend, sind die Passagen, wo es um die Entschlüsselung der Träume geht – Zukunftsmusik?
Agualusas Erzählstil hat mich gefesselt von der ersten bis zur letzten Zeile. Die Art, wie er schreibt, Fiktion und Ereignisse aus Angolas Geschichte verbindet, ist kunstvoll und lässt den Ruf nach Mehr laut werden. Hier geht es an die ganz großen Themen: Kann jeder einzelne das Weltgeschehen beeinflussen? Dürfen wir auf eine bessere Welt hoffen? Tragen unsere Träume, unsere Vorstellungskraft, zu einer besseren Welt bei? Welches ist der richtige Weg zwischen Machbarkeitswahn und Träumerei? Darf ich auf die Läuterung meiner Taten hoffen? Wo, wenn nicht in der Literatur darf die transzendente Ebene Einzug halten?
Der einzige Wermutstropfen in Agualusas Beschreibungen sind die Darstellungen der Frauen. Neben der Muse – verzaubernd, schillernd, schön – gibt es die verstörend junge Aktivistin à la „Jeanne d’Arc“, den hehren Zielen getreu bis in den Tod. Dann darf natürlich die sexy Nachbarin nicht fehlen, die man nachts ihren beinah doppelt so alten Mann bumsen hört – aber natürlich hält sie nicht nur für ihren Mann her. Ach und unvergessen, die nervige Ex-Frau. Schade, dass hier keine Zwischentöne gefunden werden.
Sehr schön aufgemacht ist das Buch, indem im vorderen und hinteren Umschlag Karten mit den Orten des Geschehens abgebildet sind. Dies erleichtert allen, denen die Geographie Angolas nicht geläufig ist, einen schnellen Einblick, wie auch das Glossar und die geschichtlichen Anmerkungen, anhand derer einige Ereignisse schlüssiger werden.
Insgesamt eindeutig ein Must-Read