Gewalt. Tod. Trauer.
Diese drei Worte beschrieben die Erfahrungen Alfa Ndiayes, eines sogenannten Senegalschützen, im Ersten Weltkrieg an französischer Front, sehr genau. Ein junger Mann, der seinen „Seelenbruder“, Mademba Diop, in diesem Krieg verliert. Der sehr kurze, aber von der französischen Kritik dennoch gefeierte Roman, Nachts ist unser Blut schwarz, von David Diop, soll einen vergessenen Teil der europäischen Kriegsgeschichte aufarbeiten. Größtenteils fiktiv, wird fast schon wie aus einem poetischen Tagebucheintrag oder Brief, aus der Sicht eines schwarzen westafrikanischen Soldaten erzählt. Diop selbst hat franko-senegalesischen Wurzeln und arbeitet als Literaturwissenschaftler und Schriftsteller. Auch im literaturwissenschaftlichen Bereich setzte er bereits Schwerpunkte auf die europäische Kolonialisierung des afrikanischen Kontinents.
Der in der deutschen Übersetzung, für manche, vielleicht etwas ungewohnte Rhythmus, unterstreicht, das Berichten des Hauptcharakters, auf einer anderen Sprache. Diop füllt hiermit eine literarische, wenn nicht sogar historische Lücke, da oftmals nur Perspektiven von weißen europäischen Soldaten bekannt sind. Hierbei legt er den Fokus sehr bewusst auf die damals gezielte Darstellung von schwarzen Männern, als „angsteinflößende Wilde mit Machete“. Nach dem Tod Madembas, durch eine deutsche Kugel, gerät Alfa in einen sehr brutal geschilderten Vergeltungsrausch. In diesem wird er sich der ihm auferlegten Rolle bewusst und nutzt sie zu seinem Vorteil, welcher ihn jedoch nach und nach unter den eigenen Kameraden zum Gefürchteten werden lässt. Das Sammeln abgetrennter Feindeshände, führt schließlich zu seiner Versetzung, in ein Rehabilitationslager. Diop verspinnt diese physische Reise und Entwicklung Alfas, geschickt mit der zunehmenden Reflexion von seiner Gegenwart, bis in die eigene Vergangenheit. Spiritualität, Freundschaft, Liebe und die Frage nach Menschlichkeit in einer unmenschlichen Zeit, welche die rudimentärsten Züge einer jeden Person zum Vorschein bringt, sind weitere zentrale Themen. Während tödliche Kugeln schwarze, so wie weiße Leben, auf dem Schlachtfeld, letztendlich wieder gleichwertig machen. Lesenden wird ein Einblick in bisher viel zu selten besprochene Lebenswelten der Vergangenheit ermöglicht. Einen Blick auf den Ersten Weltkrieg, aus einer neuen Perspektive.
Auf Grundlage der deutschen Übersetzung, jedoch ohne das französische Original zu kennen, ist Kritik an ausformulierter und ohne Erläuterung stehen gelassener, rassistischer Sprache zu üben. Zum N-Wort, so, wie Weiteren in der deutschen Sprache beleidigenden Begriffen, gibt es keinen zusätzlichen Vermerk im Buch, welcher ihre Nutzung in der deutschen Ausgabe begründet oder wenigstens erklärt. Insbesondere nach der Debatte zu rassistischer Sprache in der deutschen Kinderliteratur von 2013, sollten Verlage inzwischen sensibilisierter, zumindest aufgeklärter sein.
Trotzdem ist dieser Roman, für alle, die einen fiktiv-historischen Roman mit einer sich ständig wandelnden Hauptfigur wollen, sehr zu empfehlen. Sowie für ein Publikum, das nicht vor intensiven und gewaltvollen Bildern, Geschichten in Geschichten und unerwarteten Wendungen zurückschreckt.
Mit Nachts ist unser Blut schwarz, lässt David Diop fast vergessene Erinnerungen wieder aufleben. Seine Worte führen uns vor Augen, wie einseitig Geschichte geschrieben wurde und wird.