Kurzweilig, bei immerhin 350 Seiten, erzählt Abubakar Adam Ibrahim die Geschichte von Hajiya Binta Zubairu und Hassan „Reza“ Babale – in zwei Teilen. Es ist eine ungewöhnliche Geschichte, wenn auch die Thematik nicht neu ist: Eine Frau und ein Mann verlieben sich, die Frau ist wesentlich älter als er – in diesem Fall sind es 30 Jahre Altersunterschied.
Eine gewisse Komik begleitet den gesamten Roman, er liest sich einfach und doch dürfen wir in Abgründe sehen, diese werden nicht ausgeschmückt. Einer dieser kurzen Momente ist der, wo Hajiya Binta sich erinnert, wie sie nicht einschritt, als ihr Mann ihren ältesten Sohn versohlt, bis das Blut fließt und erst die Nachbarin Einhalt gebietet. Sie selbst stampft Guineakorn im Mörser. Dies ist eine der Rückblenden, die der Autor immer wieder einstreut, um uns an der Vergangenheit von Hajiya Binta und ihrer Gedankenwelt teilhaben zu lassen.
Wie haben sich die beiden Hauptpersonen kennengelernt? Wie haben sie sich gefunden? Das erfahren Sie, liebe*r Leser*in, schon auf der allerersten Seite dieses Romans. Hajiya Binta geht ihrem Putzfimmel nach, weil sie „schlecht geträumt“ hat, einem unguten Gefühl nachhängt, was ihr schon mehrfach angekündigt hat, wenn dramatische Wendungen in ihr Leben getreten sind, wie der Tod ihres Erstgeborenen, die Hochzeit mit ihrem Exmann, oder die Rückkehr ihrer Tochter nach gescheiterter Ehe. Im Folgenden werden wir mitgenommen in den jeweiligen Alltag von Hajiya Binta und Reza, der kaum Berührungspunkte aufweist: Er, Drogendealer, Sie, Hausfrau und Witwe. Hajiya Binta wohnt gemeinsam mit ihrer Nichte Fa’iza und Ummi, ihrer Enkelin, um die sie sich beide kümmert. Warum, wird im Verlauf der Lektüre verständlich. Reza haust mit seinen Kumpanen in San Siro, einem Treffpunkt seiner Clique, um die nächsten Aktionen zu planen.
Jetzt könnte man meinen es folgen stereotype Szenen, wie in Liebesromanen üblich, aber nichts dergleichen ist der Fall. Ich finde Abubakar Adam Ibrahim gelingt es, ein präzises Bild zu zeichnen von seinen Charakteren und deren Leben, mit Beten, Koranschule, Kochen, Putzen, Freizeit oder illegalen Coups. Es ist nicht dieses übliche um Aufsehen Heischende, was in westlichen Medien oft mitschwingt, wenn es darum geht über Gesellschaften mit muslimischem Glauben zu berichten. Hier entsteht ein differenziertes Portrait, das Spannungen aufzeigt, ohne zu dramatisieren. Unauffällig eingeflochten werden Andeutungen über Unruhen in Nordnigeria. Der Autor stammt aus Jos, einer Stadt, welche zum Norden Nigerias zählt.
In einem Youtube-Interview ( https://www.youtube.com/watch?v=EvgMZG-4iWE ) gibt der Schriftsteller preis, dass er die Literatur aus dem Norden Nigerias bekannter machen möchte, weil sie die Möglichkeit bietet Klischees, die innerhalb Nigerias zwischen verschiedenen Regionen vorhanden sind, zu entschärfen und so zu einem besseren Miteinander beizutragen. Im mehrseitigen Glossar werden Haussa-Begriffe erklärt, das können kurze Ausrufe, Sätze oder Wörter sein, die dem Werk noch mehr Originalität verleihen.
Jedes Kapitel ist mit einer sprichwortartigen Überschrift versehen. Hier ein paar Kostproben: „Mit der Suche nach einer schwarzen Ziege sollte man lange vor Einbruch der Dunkelheit beginnen“ – „Nur ein Weiser sieht das Grau im Schafspelz“ – „Nur weil die Wehklage süß klingt, ist der Verlust nicht weniger herb“ – und schon recht zu Anfang des Buches „Sieh nicht dorthin, wo du gefallen, sondern dorthin, wo du gestolpert bist“ – der Verweis auf den deutschen Titel des Buches „Wo wir stolpern und wo wir fallen“ von 2019. Das Original entstand 2015 und ist unter dem Titel „Season of Crimson Blossoms“ beim Verlag Cassava Republic Press, Abuja und London, erschienen.
Wie geht diese Geschichte aus? Kommen Reza und Binta öffentlich zueinander? Sie halten ihre Beziehung eine ganze Weile geheim. Immerhin möchten die eigenen Kinder Binta an der Seite eines Mannes wissen. Hat diese Liebe eine Chance? Lasst euch überraschen, ihr werdet belohnt mit spannendem, außergewöhnlichem Lesestoff.
Liebesgeschichte mit Tücken. Der Autor bricht Tabus in Bezug auf das Frauenbild in der Region seiner Herkunft.
„Abubakar Adam Ibrahim lebt als Journalist und Autor in Abuja“ und wurde für seine Veröffentlichungen bereits vielfach ausgezeichnet. Mit „Season of Crimson Blossoms“ ist sein erster Roman erschienen, für den er 2016 mit dem Nigerianischen Literaturpreis ausgezeichnet worden ist. Am 7.12.2020 ist bei Masobe Book ein weiterer Band mit Kurzgeschichten von Abubakar Adam Ibrahim erschienen und sicherlich bin nicht nur ich neugierig auf den hier angekündigten neuen Roman: https://africainwords.com/2020/12/01/qa-uchechukwu-peter-umezurike-interviews-abubakar-adam-ibrahim-about-his-latest-collection-dreams-and-assorted-nightmares-2020/
Schöner Einblick, der die Spannung aufrecht erhält.