Was verkauft sich noch gut in den Medien außer einer Verheißung von Sex? Ein Mord, Blutlachen, ein Serienmörder, am besten einer, von dem das nicht erwartet wird, der eigentlich normal wirkt. So normal, wie jeder von uns ist, damit wir uns leichter mit dem Serienmörder identifizieren können. Hoffentlich erschrecken wir uns irgendwann über sich selbst. Oder wir lachen. Im Buch „My Sister, the Serial Killer“ (dt. „Meine Schwester, die Serienmörderin“) von Oyinkan Braithwaite gibt es, wie der Titel andeutet, einen leichten Perspektivenwechsel. Die Serienmörderin ist die jüngere Schwester der Hauptfigur. Und als ältere muss sie die Sauerei jedes Mal hinter ihr wegräumen. Klingt im ersten Moment nicht sehr spannend, ist aber für Liebhaber*innen des schwarzen Humors bereits an dieser Stelle ziemlich unterhaltsam und für angehende Hobby-Serienkiller eventuell sehr informativ.
Das Buch wird zwar auch als Krimi deklariert, der Mörder und der Tatablauf sind aber von vornherein bekannt. Die Spannung verlagert sich viel mehr auf die Beseitigung der Spuren. Beim Lesen wird man/frau sehr schnell zum Mitwisser und Mittäter, denn die Sympathie und das Verständnis für die Situation der älteren Schwester stellt sich innerhalb der ersten Minuten ein. Und die rasante Fahrt nimmt ihren Lauf. Mit der Zeit flacht die Erzählung nicht ab, geht in die Tiefe, entwickelt weitere Aspekte und Wege.
Wenn das Buch nicht so ironisch und witzig wäre oder vielleicht genau deswegen, könnte man/frau dieses Werk nach Paragraph 131 des Strafgesetzbuches der Bundesrepublik Deutschland zur Verantwortung ziehen, da Gewaltdarstellungen, Gewaltverherrlichung und Gewaltverharmlosung im Überfluss zu finden sind. Besondere Schwere käme hinzu, da die Taten sexistisch motiviert sind. Im Roman werden ausschließlich Männer umgebracht und zwar von einer Frau. Der feministische Drang nach einem Ausgleich im Sinne einer Rache für die Jahrhunderte, gar Jahrtausende, der Unterdrückung finden in diesem Roman ihr Ventil.
Die Beziehung der beiden Frauen wurde ebenfalls gut ausgearbeitet, ist sehr glaubwürdig und spannend, obwohl die Konstellation zu den Klassikern gehört: Eine jüngere schönere Schwester, die furchtbar egoistisch ist, ohne großartige Selbstkontrolle, aber schön und beliebt bei den Männern, lässt der älteren Schwester auch keine Chance auf ihr privates Glück.
Insgesamt ist der Roman tatsächlich witzig und humorvoll. Originalität ist durch den Perspektivenwechsel gegeben. Auch wenn die Idee an die Serie „Dexter“ (2006-2013) oder an den Film „Serial Mom“ aus dem Jahr 1994 erinnert. Ein leichter Lesestoff, der vermutlich auch bei Männern gut ankommt, wenn sie ihre Männlichkeit nicht allzu ernst nehmen.