My sister, the serial killer erzählt die Geschichte zweier ungleicher Schwestern aus der Mittelschicht in Lagos. Ayoola ist eine extrem attraktive Modedesignerin und Instagrammerin – und eine egozentrische und empathielose Psychopathin, die ihre Liebhaber zunächst unter Einsatz ihrer Schönheit offensiv anflirtet und sie schließlich umbringt. Ihre zwei Jahre ältere Schwester Korede, aus deren Sicht das Buch erzählt wird, ist eine optisch unauffälligere Krankenschwester. Sie ist so ordentlich und pflichtbewusst, dass sie die perfekte Tatortreinigerin ist und zudem so solidarisch, dass sie immer die Mordreste ihrer Schwester beseitigen wird. Im Gegensatz zu Ayoola treibt Korede ihr schlechtes Gewissen um, sodass sie einem von ihr betreuten Komapatienten von den Taten ihrer Schwester erzählt. Schwierig nur, dass dieser wieder aufwacht und nicht mal seine Erinnerung verloren hat. Noch größer wird Koredes Dilemma, als sich ihr Angebeteter, der Arzt Tate, ausgerechnet in Ayoola verknallt. Wie kann sie ihn retten, ohne ihre Schwester zu verraten?
Antworten gibt der Roman der Autorin Oyinkan Braithwaite, die 1988 in Lagos geboren ist, in Großbritannien und in Jamaika Jura und Kreatives Schreiben studiert hat und seit 2012 wieder in Lagos lebt. Ihr 2018 veröffentlichtes Romandebüt My sister, the serial killer wurde für den Booker Prize und den Women´s Prize for Fiction nominiert und 2019 von der Los Angeles Times als bester Krimi des Jahres ausgezeichnet. Seitdem wird der kurze Roman von 226 Seiten international vermarktet und feiert Erfolge, sicherlich auch wegen seiner knalligen äußeren Aufmachung, ohne die das Buch wohl nicht so erfolgreich wäre; auf dem schwarzen Cover prangt in grellem Grün der reißerische Titel, aus dem Wort „killer“ tropft das Blut… Zu allem Überfluss ist die männermordende Femme fatale auch noch plakativ abgebildet – in ihrer Sonnenbrille spiegelt sich das Messer ihres Vaters, mit dem sie ihre Morde begeht. Diese dramatisch-übertriebene Gestaltung des Buches weist schon auf den Erzählstil hin: oberflächlich, schnell, die kurzen Kapitel sind mit einzelnen Schlagworten („Red“, „Father“, „Roses“) betitelt. Wer große Literatur sucht ist hier nicht richtig, wer eine schräge Unterhaltung für eine rasante Lesenacht sucht, schon.
Warum mordet Ayoola überhaupt? Während die Ergründung der Mordmotive in vielen Kriminalromanen eine große Bedeutung hat, bekommt die Leserschaft hier nur eine kurze Hintergrundtheorie geliefert. Ayoola war wie ihre Mutter und ihre Schwester der väterlichen Gewalt ausgesetzt. Der Vater ist schließlich auf mysteriöse Art und Weise verschwunden, vielleicht hatten die Schwestern auch hier ihre Hände im Spiel. Ayoola wurde zudem perfide den Geschäftspartnern des Vaters angeboten und weder durch Mutter und Tante geschützt. Das Motiv des Kindheitstraumas und der Reproduktion der erlebten Gewalt wirkt hier jedoch ein wenig konstruiert, vielleicht auch weil das Buch durch seine Oberflächlichkeit keinen Raum für eine tiefere Beschreibung der Charaktere bietet.
So spielt die Autorin zwar charmant mit dem Klischee der männermordenden Vamp, ohne derselben aber eine Tiefe zu geben. Schade eigentlich, da der Roman durchaus relevante Themen anreißt. Er ist nicht nur ein Krimi, sondern vor allem ein Roman über Solidarität unter Schwestern, die hier immer größer ist als die auch bestehende Konkurrenz. Besonders an dem Roman sind die vielfältigen und starken Frauenrollen, die keinen klassischen Rollenbildern entsprechen. My sister, the serial killer ist ein spannendes und kurzweiliges Buch, dass aber durch die oberflächliche Erzählweise und Aufmachung verliert. So bleibt der Roman ein Buch für Leser*innen, die schnelle Unterhaltung oder einfach einen originelleren Krimi suchen.
Hallo, ein Verriss – muss auch mal sein! Die Analyse de Covers ist gelungen, doch finde ich, dass auch afrikanische Literatur nicht immer tiefschürfend und politisch, sondern einfach auch mal unterhaltend sein darf. Letzteres ist dann Geschmackssache!