„It’s un-Nigerian.“
(S.1, Introduction)
Mit diesen Worten führt der biografische Band She Called me Woman (hg. von Azeenarh Mohammed, Chitra Nagarajan und Rafeeat Aliyu) Leser*innen in die Lebenswelten queerer Frauen* in Nigeria ein. Frauen* im Alter von 20-42 Jahren, deren Namen nur als Initialen und Herkunftsorte oder nur als freies Feld in ihren* Geschichten erscheinen. Ein weiteres Detail, welches auch nach der starken und berührenden, jedoch nicht verharmlosenden Einleitung, deutlich macht, wie wenig frei und sicher die Leben von queeren Frauen* in Nigeria sind. Die Berichtenden* kommen aus verschiedenen Regionen des Landes und haben nicht selten für ihre* eigene Freiheit Orte verlassen müssen. Zum einen aufgrund von religiösen und kulturellen Einstellungen in Gesellschaft und Familie, wie aus OFs Geschichte hervorgeht “I also do not believe God is going to smite me for loving.“(S.56, Love is not Wrong). Zum anderen aufgrund politischer und rechtlicher Strukturen. In den verschiedenen Teilen Nigerias herrschen unterschiedliche Gesetze und Strafen für Homosexualität, diese reichen von mehreren Jahren Haft bis hin zum Steinigen durch die Scharia. Viele Frauen berichten von Angst vor Strafen und, dass dies Grund für ihr verstecktes Leben sei oder auch die Flucht. Im Kontrast wird trotz allem viel von der Unterstützung durch Freund*innen gesprochen, sowie das Aufbauen eines Sicherheitsnetzes, sei es in der LGBTQ+-Gemeinschaft oder in Form eines selbst gewählten Kreises.
Das Heranwachsen als junge queere Frau*, in Nigeria, ist geprägt von der langsamen Erkenntnis nicht anerkannt zu sein. Darüber hinaus davon, sehr früh ein Bewusstsein für politische und gesellschaftliche Strukturen zu entwickeln, um ein selbstbestimmtes und so weit wie möglich freies Leben führen zu können.
Hinweise wie „Content Note: Intercommunal Violence, Physical Violence“, in TQs Bericht (S.39, I Pray That Everyone Has Forgotten), machen sehr bewusst auf die Tragweite von den bereits genannten Strukturen aufmerksam. So sind die Frauen* nicht nur von gesellschaftlichem Ausschluss und Strafen bedroht, sondern auch in allen Lebensbereichen von Gewalt. I Pray That Everyone Has Forgotten erzählt, so wie viele andere Texte auch, aus einer sehr privaten Perspektive. Teilt Erfahrungen von Verlust, einem zwiegespaltenen Herzen, Hoffnungen und Träumen für eine Zukunft in Nigeria, wie auch Zeugnisse des Muts und der Kraft, sich nicht brechen zu lassen.
She Called Me Woman sind die kostbaren und mutmachenden, wie auch schonungslosen Worte von Überlebenskünstler*innen, welche kein Mitleid fordern, sondern ihr* Recht zu sein. Dieser Band ist bildend, politisch und aktuell. Gemacht für jede Person, jedes Alter und jeden Wissenstand. Das Buch erwartet nicht, dass sich Leser*innen schon informiert haben. Es bietet mit seiner Einführung und Sammlung eine erste Grundlage, Denkanstöße und Raum sich auf die vielfältigen Themen des Bandes einzulassen. Wer gewillt ist, kann durch dieses Werk den eigenen Horizont bereichern, sei es zu Nigeria oder queerem Erleben. Da jede Person ihre Geschichte in einem eigenem, für einen Lebensweg, fast viel zu kurzem Kapitel erzählt, ist dieser Band auch die perfekte Lektüre für jede Gelegenheit. Ob für unterwegs oder ein Paar Seiten auf der Couch. Nach Lesen der Einleitung können Kapitel auch bei wenig Zeit unabhängig voneinander gelesen werden.
Abschließend kann gesagt werden, dass die Erzählerinnen* trotz der schweren Erfahrungen optimistisch und unerschrocken in die Zukunft blicken. Sie teilen mit der Welt ihre schmerzvolle Hoffnung auf ein freies und gleichberechtigtes Leben und Lieben.