Es gibt keine afrikanische Literatur, es gibt keine europäische Literatur, keine amerikanische oder asiatische. Es gibt nur schlechte Literatur oder gute Literatur, schwache Literatur oder starke, langweilige oder atemberaubende, wie den Roman von David Diop Nachts ist unser Blut schwarz.
Zurecht genießt der Autor mit senegalesischen Wurzeln die begeisterten Stimmen zu seinem Roman. Zurecht darf er französischsprachige afrikanische Literatur an der Universität Pau unterrichten. Er weiß, er hat verstanden, wie die Literatur sein sollte.
„Ich habe nur entfernt, was nicht dazu gehörte.“
– Michelangelo
Was entfernte denn David Diop aus seinem Roman? Die langweilige Einleitung mit der zögernden Beschreibung der Figuren, der Landschaften, des historischen Kontextes. Es geht gleich mit voller Wucht rein ins Geschehen, rein in die kreisenden und doch klaren Gedanken des Protagonisten. Es geht um den Krieg, es geht um einen Soldaten im Krieg, der soeben seinen besten Freund verloren hat und darum dass er sich Vorwürfe macht, dass er das Leiden des schwer verwundeten Freundes nicht verkürzen konnte.
Man findet in dem Roman keine kitschige Konstellationen, keine vorhersehbaren Entwicklungen. Es ist eine Spannung in den Buchstaben, die den Leser dazu zwingt die Kontrolle aufzugeben und sich einfach von dem Gedankenstrom des Hauptcharakters mitreißen zu lassen. Von einem Gedankenstrom, der die Hauptfigur zu merkwürdigen Taten verleitet, aber auch zu pragmatisch hochpräzisen Feststellungen.
Trotz des vermeintlichen Siegels der „afrikanischen Literatur“ schafft Diop tatsächlich den typischen und floskelartigen anti-rassistischen Zeigefinger komplett zu ersparen. Auch die afrikanische Kulissen sind so harmonisch und natürlich eingewebt, dass der europäische Leser kaum das Gefühl bekommt, dass es sich dabei um etwas Fremdes und Exotisches handeln könnte. Das Nachvollziehen der Umstände und Geschehnisse aus der Kindheit und Jugend des Soldaten fällt einem ziemlich leicht dank der universalen humanistischen Sprache, wo es einfach um die Menschen geht mit all seinen Freuden, Ängsten, Träume und Wunden.
Die sozialkritische Funktion des Romans bzw. sein Beitrag zu der äußeren und inneren Befreiung des Menschen als Individuum lässt das Werk als klar humanistisch und aufklärerisch Bezeichnen.
„Nachts ist unser Blut schwarz“ kann jedem empfohlen werden. Es ist nicht nur ein Vergnügen an originellen Formen und Gedanken, sondern auch ein guter moralischer Uhrenabgleich, der vielleicht ein Teil des Schulprogramms werden sollte.